Mittwoch, 21.05.2025

Wenn Marken Kultstatus erreichen – Zwischen Prestige, Haltung und Lebensgefühl

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Marken sind allgegenwärtig – auf unseren Klamotten, unseren Smartphones, sogar in unserem Sprachgebrauch. Doch nur wenige schaffen den Sprung vom bloßen Konsumprodukt zum echten Kultobjekt. Wenn eine Marke Kultstatus erreicht, bedeutet das weit mehr als bloße Popularität oder wirtschaftlichen Erfolg. Sie wird zu einem Symbol – für Werte, für Stil, für Haltung. Aber wie passiert das? Was macht aus einem Namen eine Ikone? Und warum berühren uns manche Logos auf emotionale Weise, während andere bloß „Produkt“ bleiben?

Zwischen Statussymbol und Identitätsanker

Der klassische Fall von Kultmarke ist wohl die Rolex. Die Schweizer Uhrenmanufaktur steht nicht nur für Zeitmessung, sondern für Exzellenz, Prestige und ewigen Erfolg. Wer eine Rolex trägt, sendet ein klares Signal: Ich habe es geschafft. Diese Symbolkraft funktioniert auch deshalb so gut, weil sie seit Jahrzehnten durch Werbung, Popkultur und Prominenz gestützt wird. In Rapvideos, bei Tennisprofis, in Hollywood-Filmen – die Rolex ist ein globales Symbol für Aufstieg.

Ein ähnliches Prinzip funktioniert bei Porsche. Auch hier steht nicht primär das Produkt im Vordergrund, sondern das Lebensgefühl: Freiheit, Geschwindigkeit, technologische Eleganz und Männlichkeit. Die Marke ist zum Synonym für das Träumen auf vier Rädern geworden – egal ob für den erfolgreichen Manager oder den Fan im Kinderzimmer.

Kult durch Abgrenzung

Doch nicht nur Reichtum macht eine Marke kultig. Oft entsteht Kult gerade dort, wo sich eine Marke von der Masse abhebt, provoziert oder mit einer klaren Haltung auftritt. Die Sneakermarke Dr. Martens etwa wurde in der Punk- und Rockszene der 70er und 80er Jahre getragen – weniger wegen der Bequemlichkeit, sondern wegen ihrer Symbolik. Wer Docs trug, stellte sich bewusst gegen das Establishment. Ähnlich erging es Marken wie Levi’s, die mit ihrem Ursprung in der Arbeiterklasse und ihrer Verbindung zur Jugendkultur einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis eroberten.

Oder Ben & Jerry’s: Die Eismarke ist nicht nur bekannt für ausgefallene Sorten, sondern auch für ihr gesellschaftliches Engagement. Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung – Ben & Jerry’s hat sich konsequent als „moralische Marke“ positioniert. Auch das kann kultig sein: nicht durch Luxus, sondern durch Haltung.

Der Übergang vom Produkt zur Projektionsfläche

Kultmarken entstehen, wenn sie mehr sind als das, was sie verkaufen. Wenn Menschen anfangen, sich mit ihnen zu identifizieren – bewusst oder unbewusst. Sie werden zur Projektionsfläche für Werte, Wünsche, Ideale. Das zeigt sich auch im Streetwear-Universum, wo Marken wie Supreme oder Palace teils absurde Hypes erzeugen. Ein weißes T-Shirt mit rotem Logo für 300 Euro? Was rational wenig Sinn ergibt, ist emotional hoch aufgeladen: Wer Supreme trägt, ist Teil eines exklusiven, subkulturellen Kosmos, der von Limitierung, Jugendlichkeit und Urbanität lebt.

Wenn Rauch zum Mythos wird – Das Pariser Lebensgefühl

In der unteren Hälfte der Skala, weit entfernt vom Glanz der Luxusmarken, gibt es Marken, die nicht für Reichtum, sondern für ein ganz bestimmtes Lebensgefühl stehen. Eine davon ist Gauloises. Die französische Zigarettenmarke hat es geschafft, sich tief ins kulturelle Gedächtnis einzubrennen – nicht durch Hochglanzwerbung, sondern durch ihren symbolischen Gehalt.

In den 1950er- bis 70er-Jahren wurde Gauloises zum Inbegriff des intellektuellen, existenzialistischen Lebensstils. Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Albert Camus – sie alle waren bekannte Gauloises-Raucher. Die Marke wurde mit dem verrauchten Pariser Café, tiefgründigen Gesprächen über das Leben und dem rebellischen Denken der Bohème assoziiert. Eine Gauloises war nicht nur eine Zigarette – sie war ein Statement. Sie sagte: Ich denke selbst. Ich fühle tief. Ich gehöre nicht zum Mainstream.

Auch die Optik trug zum Mythos bei: Die dunkelblaue Verpackung, das gallische Symbol, der Verzicht auf Filter. Alles schrie nach Widerstand, nach Frankreich, nach Unangepasstheit. Auch wenn Gauloises heute kaum noch präsent ist – der kulturelle Nachhall ist geblieben. In Filmen, Büchern und nostalgischen Erinnerungen lebt diese Marke als Symbol eines verblassten, aber faszinierenden Lebensgefühls weiter.

Kultmarken als kulturelle Spiegel

Ob Rolex oder Gauloises – Kultmarken erzählen immer auch etwas über die Zeit, in der sie groß wurden. Sie spiegeln Sehnsüchte, gesellschaftliche Bewegungen und kollektive Vorstellungen. Während einige Marken Reichtum und Erfolg inszenieren, stehen andere für Freiheit, Rebellion oder Solidarität. Manche Marken werden Kult, weil sie knapp sind, andere, weil sie Haltung zeigen, und wieder andere, weil sie ein ganzes Lebensgefühl in sich tragen.

Was sie verbindet, ist die emotionale Verbindung zu ihren Trägern. Eine Kultmarke konsumiert man nicht einfach – man lebt sie. Und manchmal lebt man durch sie auch ein kleines bisschen das, was im Alltag vielleicht fehlt: Prestige, Rebellion, Freiheit oder Zugehörigkeit.

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